Morbus Ormond
  Induzierte Fibrose
 

 

FALLBERICHT FALLBERICHT 

INDUZIERTE SEKUNDÄRE
RETROPERITONEALE FIBROSE

Im April 1999 kam ein 58-jähriger
Patient mit folgenden Beschwerden
an unsere Abteilung: Anamnestisch
bestand eine Schwellung
der beiden unteren Extremitäten,
links deutlicher ausgeprägt als
rechts, seit 2 Monaten, zusätzlich
war zum selben Zeitpunkt erstmalig
eine Hydrocele re aufgetreten.
Palpatorisch ließ sich skrotal re
ein Tumor bis zum rechten Samenstrang
tasten, links inguinal
fanden sich tastbare Lymphknoten.
Sonographisch zeigte sich
eine Hydrocele re mit V.a. RF im
Bereich des re NH-Kopfes und
eine Doppelniere li. Die IVP
bestätigte die Doppelniere li, und
zeigte einen Ureterfissus li mit
weitläufiger Verlagerung der
Ureteren bds. nach medial, wie
bei retroperitonealen Veränderungen
(Abb. 1). In einer Computertomographie
des Abdomens
konnten beiderseits inguinale
Lymphknoten (ca. 1,5 cm), sowie

Abbildung 1: IVP mit Doppelniere und
Ureter fissus li sowie weitläufiger
Verlagerung beider Ureteren nach
medial.
eine Narbenplatte im kleinen
Becken links gefunden werden.

Aufgrund des suspekten US-
Befundes wurde eine Hodenfreilegung
rechts mit Hydrocelenresektion
nach Bergmann/
Winkelmann, eine PE aus dem
rechten Nebenhoden sowie eine
Lymphknotenexstirpation links
inguinal, in einer Sitzung durchgeführt.
Die histologische Auswertung
ergab eine granulomatöse
unspezifische Epididymitis
rechts, sowie geschwulstfreie
Lymphknoten links. Die Hodentumormarker
waren negativ.

Im Rahmen des stationären
Aufenhaltes wurde auch die
Einflußstauung der unteren Extremität
abgeklärt. Hierbei fand sich
lediglich eine chronische Lymphangitis
bei regelrechten venösen
Verhältnissen. Eine Vorstellung an
der h.o. Onkologie ergab keinen
Hinweis für ein malignes Geschehen.


Allgemeine Anamnese: Bei dem
Patienten besteht ein seit 6 Jahren
bekannter Morbus Parkinson (seit
95 Therapie mit Pergolidmesylate/
Permax. und Carbidopa-Levodopa/
Sinemet.), eine Cholezystolithiasis
sowie ein Z. n Tonsillektomie.
Der Patient konnte
beschwerdefrei entlassen werden.

3 Monate später wurde der Patient
wegen einer Zunahme seiner
Beinödeme und Verschlechterung
seiner Nierenfunktionsparameter
(Krea: 2,93 mg/dl, BUN/S: 46 mg/
dl) wiederum stationär aufgenommen.
Ein CT des kleinen Becken
und Abdomens ergab paraaortal
(kaudal LWK4), parailiakal und
pararektal diskrete Verdichtungen
wie bei einer retroperitonealen
Fibrose. Des weiteren zeigten

sich eine Hydronephrose mit
Hydroureter rechts sowie eine
geringe Hydronephrose der
Doppelniere links (Abb. 2 und 3).
Unter diesem Aspekt wurde eine
Ureterenschienung bds. sowie
eine CT-gezielte Punktion der
Narbenplatte im Retroperitoneum
durchgeführt. In der histologischen
Auswertung der Punktion
konnte ein M. Ormond weder
bestätigt noch ausgeschlossen
werden. Unter laufender Cortisontherapie
(2 x 25 mg
Aprednisolon) konnte der Patient
bei rückläufigen Nierenfunktionsparametern
mit liegenden Splints
bds. entlassen werden.

2 Monate später wurde der Patient
zur nochmaligen Durchuntersuchung
und ev. Splintentfernung
stationär aufgenommen.
Es zeigte sich eine deutliche
Reduktion der Beinödeme bds. In
einer Kontroll-CT-Untersuchung
des Abdomen und kleinen Bekkens
fand sich jedoch Befundkonstanz.
Eine Nierenfunktionsszintigraphie
ergab eine gering
verminderte Gesamtfunktion bei
deutlich eingeschränkter
Parenchymfunktion der linken
Niere (Seitenverhältnis 25:75 %).
Nach Schienenentfernung bds
zeigte sich eine neuerliche Stauung
der linken Niere mit Flankenschmerzen
links, so daß wir
wiederum links eine Ureterschiene
einlegten. Während des
stationären Aufenthalts wurde
jetzt auch die Pergolid-Medikation,
die möglicherweise als ursächlich
für die retroperitoneale
Fibrose angesehen wurde, auf
Ropinirolhydrochlorid/Requip.
umgestellt [1–4].

6 Wochen später wurde die
Ureterenschienung entfernt. Eine
danach durchgeführte IVP zeigte

J. UROL. UROGYNÄKOL. 5/2000

ein Bild
FALLBERICHT FALLBERICHT
eine zeitgerechte Kontrastmittelausscheidung
bds. mit normalen,
ungestauten Abflußverhältnissen.

4 Wochen danach waren beide
Nieren sonographisch ungestaut,
die Nierenfunktionsparameter im
Normbereich sowie die szintigraphische
Gesamtfunktion verbessert.


Pergolid kann fibrotische Erkrankungen
im urologischen Bereich
auslösen [1–4]. Neben anderen
therapeutischen Maßnahmen ist
bei V. a. einen Zusammenhang
mit der Pergolid-Medikation diese
unbedingt abzusetzen, da die
durch Pergolid ausgelösten Veränderungen
im Frühstadium voll
reversibel sind.

disease treated with pergolide. Clin
Neuropharmacol 1995; 18: 277–9.

3. Kunkler RB, Osborn DE, Abbot RJ.
Retroperitoneal fibrosis by treatment
with pergolide in a patient with Parkinson‘
s disease. BJU Int 1998; 82: 147.
4. Shaunak S, Wilkins A, Pilling JB, Dick
DJ. Pericardial, retroperitoneal and
pleural fibrosis induced by Pergolide. J
Neurol Neurosurg Psychiatry 1999; 66:
79–81.
Korrespondenzadresse:

Dr. Paul F. Engelhardt
Urologische Abteilung
Krankenhaus Lainz
A-1130 Wien,
Wolkersbergenstraße 1

KOMMENTAR DES EXPERTEN


sekundären retroperitonealen
Fibrose auf, die im folgenden
noch einmal kritisch zusammengefaßt
werden sollen.

Typisch für die sekundäre
retroperitoneale Fibrose (RPF) ist
der im Gegensatz zur primären
RPF nahezu symptomfreie Verlauf,
während bei der primären
RPF Rückenschmerzen, Flankenschmerzen,
Müdigkeit, Nachtschweiß
und andere B-Symptome
im Vordergrund stehen. Auch ist
bei der sekundären RPF die
Labordiagnostik meistens unergiebig,
die bei der primären RPF
indirekten Hinweise auf das
Vorliegen einer chronisch entzündlichen
Erkrankung mit Anämie,
CRP-Erhöhung und beschleunigter
BSG bietet.

Literatur:

1. Riedl CR, Plas EG, Pflüger H.
Peyronie‘s disease associated with
pergolide medication. BJU Int 2000; 86:
1–2.
2. Jimenez-Jimenez FJ, Lopez-Alvarez J,
Sanchez-Chapado M, Montero E, Miquel
J, Sierra A, Gutierrez F. Retroperitoneal
fibrosis in a patient with Parkinson‘s
Die Autoren beschrieben den
sehr seltenen Fall einer durch
Pergolidmedikation induzierten
retroperitonealen Fibrose, die in
der Literatur bisher lediglich in 8
Fällen publiziert wurde. Der
präsentierte Fallbericht weist eine
Reihe von Charakteristika der

In der Bildgebung ist die
Medialisierung beider Harnleiter
ein charakteristisches Zeichen der
retroperitonealen Fibrose im
Ausscheidungsurogramm.
Computertomographisch zeigen
sich als typische Befunde inhomogene
fibrotische Massen,
deren Dichtewerte zwischen 30

Abbildung 2: Computertomographie mit Hydronephrose
bds. und paraaortalen vergrößerten Lymphknoten.
Abbildung 3: Computertomographie des kleinen Becken
mit pararektalen Verdichtungen wie bei retroperitonealer
Fibrose.
J. UROL. UROGYNÄKOL. 5/2000

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und 50 HE schwanken. Nach
intravenöser Kontrastmittelgabe
kommt es meistens zu einem
inhomogenen Dichteanstieg in
der Peripherie um 20 bis 40 HE,
während die zentralen Regionen
unveränderte Werte aufweisen.
Dieses Phänomen ist auf eine von
zentral nach peripher fortschreitende
Fibrosierung zurückzuführen,
die nach längerem Krankheitsverlauf
einen schalenartigen
Aufbau mit akuter Entzündung in
der Peripherie und zellarmer
Fibrose im Zentrum ergibt. Als
Besonderheiten in dem hier
dargestellten Fall läßt sich eine
Narbenplatte im kleinen Becken
linksseitig darstellen, die durchaus
als Hinweis auf eine atypisch
lokalisierte retroperitoneale
Fibrose zu werten ist. Die Magnetresonanztomographie
(MRT) kann
die Diagnosen einer retroperitonealen
Fibrose noch besser
verifizieren als die Computertomographie.
Sowohl die Signalintensität
als auch die T1- und
T2-Relaxationszeiten der RPF
unterscheiden sich deutlich
gegenüber dem benachbarten M.
psoas und dem retroperitonealen
Fettgewebe, so daß Entzündungsaktivität
und Ausdehnung des
Prozesses sicher beurteilt werden
können. So ist die RPF von geringerer
Signalintensität in der T1Richtung,
während sich abhängig
vom Erkrankungsstadium eine
höhere Signalintensität in der T2Richtung
zeigt. In der frühen zellund
wasserreichen Entzündungsphase
kommt eine hohe Signalintensität
zur Darstellung; in der
späten zellarmen und fibrösen
Phase der Erkrankung stellt sich
eine geringe Signalintensität dar.

Der weitere Verlauf des hier
dargestellten Patienten mit Verschlechterung
der Nieren


ein Bild
funktionsparameter und Zunahme
der retroperitonealen fibrotischen
Massen ist weiterhin typisch für
eine primäre und auch eine
sekundäre retroperitoneale
Fibrose. Der erste Schritt einer
jeglichen Therapie stellt deshalb,
wie im vorgegebenen Fall durch
die retrograde Harnleiterschienung
erfolgt, die Sicherung
der Nierenfunktion dar. Dies kann
über einen endoskopischen Weg
oder über die Einlage perkutaner
Nephrostomien erfolgen. Die
primäre Einlage einer perkutanen
Nephrostomie bietet dabei den
Vorteil, daß der Therapieerfolg
durch einfache diagnostische
Verfahren wie der antegraden
Pyeloureterographie, der Nierenbeckendruckmessung
und der
Nierenszintigraphie bei geschlossener
Ableitung erfaßt werden
kann und keine erneute endourologische
Manipulation am
unteren Harntrakt notwendig ist.

Die weitere Therapie ist dann
abhängig von der Genese der
retroperitonealen Fibrose (primär
versus sekundär) und von der
Frage, ob primär ein konservativer
oder chirurgischer Therapieansatz
gewählt werden soll. Kann
ein verursachendes Argens identifiziert
werden, sollte dieses
abgesetzt werden, die Nierenfunktion
aufrechterhalten werden
und die Entzündungsaktivität
inhibiert werden. Der Identifikation
einer medikamentös-induzierten
retroperitonealen Fibrose
kommt dabei besondere Bedeutung
zu, da in der Literatur in
Einzelfällen über spontane Remissionen
nach Diskontinuierung
entsprechender Medikation
berichtet wird. So sehen wir auch
in dem hier geschilderten Fall
eine Spontanremission nach
Absetzen von Pergolid. Dieser

Verlauf ist überraschend und in
der Zusammenschau der
Literaturdaten eher ungewöhnlich.
In den meisten Fällen ist
parallel zum Absetzen der verursachenden
Medikation eine
immunsuppressive Therapie zu
initiieren, um die aktivierten
Entzündungsreaktionen zu hemmen.
In aller Regel erfolgt dabei
die Behandlung mit z. B.
Prednisolon in einer initial hohen
Dosis von 40–100 mg/die, die
danach schrittweise auf eine
Erhaltungsdosis von 10 mg/die
reduziert wird. Die notwendigen
Zeitintervalle der Therapie müssen
von der Verlaufkontrolle des
Befundes mittels bildgebender
Diagnostik abhängig gemacht
werden. Wir orientieren uns
dabei an der im MRT und/oder
CT nachweisbaren Entzündungsaktivität
der RPF. Solange sich
computertomographisch noch ein
deutliches Kontrastmittelenhancement
in den fibrösen
Massen darstellen läßt, wird die
konservative Therapie fortgesetzt.
Eine Kombination mit Azathioprin
(2 mg/kg Körpergewicht und die)
erfolgt dann, wenn in der ersten
Kontrolle nach 3-monatiger
Therapie keine deutliche Verbesserung
des Befundes nachweisbar
ist. Bleibt nach Abschluß der
Therapie ein fibrotischer
Residualtumor, erfolgt in den
meisten Fällen die chirurgische
Sanierung mittels Ureterolyse und
Intraperitonealisierung, gefolgt
von einer adjuvanten 3–6monatigen
Steroidtherapie; dieses Konzept
weist dauerhafte komplette
Remissionen von über 90 % auf.


ein Bild
Priv.-Doz.
Dr. med. A. Heidenreich,
Klinik für Urologie der
Philipps-Universität Marburg


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